Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung

News Oktober 2021

Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung

Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung Änderung des Erwerbsersatzgesetztes in zwei Etappen

Die Arbeit von pflegenden Angehörigen ist ein wichtiger Beitrag für die Gesellschaft und deckt einen erheb- lichen Teil der Gesundheitsversorgung ab. Die Vereinbarkeit von Angehörigenbetreuung und Erwerbstätig- keit gestaltet sich jedoch meist schwierig. Das Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung trägt dem zunehmenden Bedarf an Betreuung und Pflege, der stetig steigenden Erwerbsquote bei Frauen und neuen Formen des familiären Zusammenlebens Rechnung.
Mit der ersten Etappe, die am 1. Januar 2021 in Kraft getreten ist, wurde die Lohnfortzahlung bei kurzen Arbeitsabwesenheiten geregelt und die Betreuungsgutschriften in der AHV ausgeweitet. Ausserdem wurde der Anspruch auf den Intensivpflegezuschlag und die Hilflosenentschädigung der IV für Kinder angepasst.
In einer zweiten Etappe wurde per 1. Juli 2021 der bezahlte 14-wöchige Urlaub für die Betreuung von schwer kranken oder verunfallten Kindern in Kraft gesetzt.

Kurzzeitige Arbeitsabwesenheit zur Angehörigenbetreuung – in Kraft seit 1. Januar 2021

Arbeitnehmende haben gemäss Artikel 329h OR Anspruch auf bezahlten Urlaub um sich um Familienmit- glieder oder Lebenspartner: IN zu kümmern, wenn diese gesundheitlich beeinträchtigt sind. Der Urlaub ist auf die Zeit beschränkt, die zur Betreuung notwendig ist, beträgt jedoch höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr.

Der Betreuungsurlaub ab 1. Juli 2021

Mit Wirkung ab 1. Juli 2021 gewährt das neue Gesetz erwerbstätigen Eltern einen 14-wöchigen Urlaub für die Betreuung eines schwer kranken oder verunfallten Kindes. Der Anspruch auf Betreuungsentschädigung und -urlaub entsteht pro Krankheits- oder Unfallereignis. Der über die Erwerbsersatzordnung (EO) entschä- digte Urlaub kann innerhalb von 18 Monaten bezogen werden, am Stück oder tageweise. Die Eltern kön- nen den Urlaub frei unter sich aufteilen. Falls keine Einigung getroffen werden kann, so hat jeder Elternteil Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von höchstens sieben Wochen.

Wer hat Anspruch auf Betreuungsentschädigung

Anspruch haben erwerbstätige Eltern, deren minderjähriges Kind eine schwere gesundheitliche Beeinträch- tigung erleidet und dadurch einen erhöhten Bedarf an Begleitung und Pflege hat.

Wann besteht ein Anspruch auf Betreuungsentschädigung
  • es besteht ein Eltern-Kind-Verhältnis
  • die Eltern sind berufstätig
  • die Erwerbstätigkeit wird zur Kindesbetreuung unterbrochen
Wann gilt ein Kind gesundheitlich als schwer beeinträchtigt

Die folgenden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein:

  • eine einschneidende Veränderung seines körperlichen oder psychischen Zustandes eingetreten ist;
  •  der Verlauf oder Ausgang dieser Veränderung schwer vorhersehbar ist oder mit einer bleibenden
  • oder zunehmenden Beeinträchtigung oder dem Tod zu rechnen ist;
  •  ein erhöhter Bedarf an Betreuung durch die Eltern besteht; und
  • mindestens ein Elternteil die Erwerbstätigkeit für die Betreuung des Kindes unterbrechen muss

    Kein Anspruch auf eine Betreuungsentschädigung besteht, wenn das Kind mit einer schweren Beeinträchti- gung geboren wird. In diesen Fällen besteht Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung. Ein möglicher Anspruch auf Betreuungsentschädigung entsteht allenfalls im Anschluss an die Mutterschaftsentschädi- gung, sofern die genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Höhe der Entschädigung

Die Betreuungsentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet und beträgt 80 % des vor dem Anspruch erziel- ten durchschnittlichen Erwerbseinkommens, höchstens aber 196 Franken pro Tag (analog Mutterschafts-, respektive Vaterschaftsentschädigung). Der Lohnausgleich durch den Arbeitgeber erfolgt ebenfalls analog der vereinbarten Regelung bei Mutterschafts-, respektive Vaterschaftsentschädigung.
Das maximale Taggeld wird mit einem Monatseinkommen von 7’350 Franken (7’350 Franken x 0,8 ÷ 30 Tage = 196 Franken/Tag) und bei Selbständigerwerbenden mit einem AHV-pflichtigen Jahreseinkommen von 88’200 Franken (88’200 Franken x 0,8 ÷ 360 Tage = 196 Franken/Tag) erreicht.
Die anstelle des Lohnes ausgerichtete Betreuungsentschädigung gilt ebenfalls als Einkommen. Sie müssen darauf deshalb die üblichen Sozialversicherungsbeiträge in Abzug bringen und Beiträge entrichten (AHV, IV, EO, ALV und falls vorhanden – auf die Krankentaggeldversicherung).
In der obligatorischen Unfallversicherung besteht während der Dauer des Betreuungsurlaubs eine Befrei- ung der Prämienzahlung (auf Anteil EO-Entschädigung; falls höhere Leistungen ausgerichtet werden, ver- bleiben diese prämienpflichtig).

 

Koordination bei Bezug von Taggeldern anderer Sozialversicherungen / Vorrang der Betreuungsentschä- digung

Die Betreuungsentschädigung schliesst den zeitgleichen Bezug weiterer Taggelder aus und geht diesen vor, respektive führt zu einem Unterbruch der Taggeldzahlungen folgender Sozialversicherungen:

  • Arbeitslosenversicherung
  •  Invalidenversicherung
  •  Obligatorische Unfallversicherung
  •  Obligatorische Krankenversicherung, oder
  •  Militärversicherung
    Im Rahmen der Besitzstandswahrung entspricht die Betreuungsentschädigung mindestens dem bisher be- zogenen Taggeld. Auf Krankentaggelder einer Taggeldversicherung nach Privatversicherungsrecht VVG besteht hingegen kein Besitzstand.
Absicherung während des Betreuungsurlaubs / Rechte der Arbeitnehmenden

Während dem Betreuungsurlaub gelten für den Arbeitnehmer die folgenden Absicherungen:

  • Eltern, die ein gesundheitlich schwer beeinträchtigtes Kind betreuen, unterliegen ab Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung, höchstens aber während 6 Monaten ab dem ersten bezogenen Taggeld einem Kündigungsschutz.
  •  Die Ferien dürfen aufgrund der Abwesenheit infolge Betreuungsurlaubs nicht gekürzt werden
Weiterführende Informationen / Quellenangaben

Die Autoren
Dieses Merkblatt wurde erfasst von:

Flavio Costantini
Managing Partner
MAS ZFH in Financial Consulting CAS Insurance Broker
Soletum Insurance Broker AG

Christine Strehler Oukhrid
Senior Managerin
Sozialversicherungsfachfrau mit eidg. Fachausweis
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